Tanzmatten im modernen Englischunterricht?

Neben Impulsen und sinnvoll einsetzbaren Medien möchte ich auch fachdidaktischen Fehlversuchen in meinem Blog Raum geben. Als erster Teil einer Reihe zu ‚failed lessons‘ soll es hier um den Einsatz einer geradezu revolutionären Medienkombination gehen: Tanzmatten + Laptop + Beamer + Lernsoftware.

Es klang wie eine gute Idee – wenigstens aber wie eine Idee: folgend dem Ansatz, dass Schüler im Englischunterricht in Bewegung gut lernen, dass Schüler – insbesondere in der Unterstufe – ein hohes Bedürfnis nach Bewegung haben, sollten sie bewegt Wortschatz wiederholen, statt dasselbe mittels Rätseln oder anderen Aufgaben auf einem Arbeitsblatt zu tun.
Bewegungsspiele wie das allseits beliebte ‚Simon says‘ trugen in meiner sechsten Klasse genauso zur Motivation bei wie Methoden, die aus dem Repertoire des total physical response (TPR) stammten. In Kombination mit meiner Technikbegeisterung, die wohl auch aus jeder Pore dieses Lehrerblogs tropft, sollte ein neues Unterrichtsverfahren entstehen.

Die entsprechende Hardware war schnell gefunden und bei ebay bestellt: Zwei Tanzmatten für die Playstation und zwei USB-Adapter für Playstation-Kontroller.

Geplant war es so:
Mittels eben dieser zwei Tanzmatten, die auf den Boden gelegt wurden, sollte ein Wettbewerb zwischen zwei Schülergruppen stattfinden (Jungenüberhang in der Klasse, Wettbewerbsgedanke…). Per Beamer wurden Multiple-Choice- Aufgaben zum Wortschatz an die Wand projiziert. Unter den Aufgaben waren jeweils Schrittfolgen aus vier Schritten (z.B. left,right,right,up) vorgegeben, die die zwei Schüler auf den Tanzmatten nachvollziehen mussten, um die richtige Antwort anzugeben.
Es gab einen Punktezähler, um den Wettbewerbscharakter der Methode offensichtlich und nachvollziehbar zu machen.
Die nötige Software erstellte ich in VisualBasic – mittels einiger DirectX- Bibliotheken konnten die zwei Tanzmatten tatsächlich als Joystick-Controller abgefragt werden. Die Software tat tatsächlich genau das Geforderte, die Aufgabenstellungen waren angemessen, die Schüler begeistert.

Trotzdem war es kein Erfolg.

1) Durch kontextfreie Vokabelaufgaben trat auch nur wenig Lern- oder Übungserfolg ein.
2) Das Unterrichtsmedium lenkte vom eigentlichen Inhalt ab.
3) Aufbau und Abbau der Gerätschaften dauerte lange. Länger als die zur Verfügung stehende Zeit, so dass die ganze Klasse letztlich in speziell vorbereitete Klassenzimmer umziehen musste. Für eine 10-minütige Unterrichtsphase nicht unbedingt sinnvoll.
4) Authentische Kommunikation. Ja, die gab es. Aber tatsächlich gab es auch viel aufgeregtes Anfeuern und Beschimpfen.
Die Tanzmatten habe ich letztlich doch lieber an Schulfesten und Leseabenden zur Unterhaltung eingesetzt – Software dazu findet sich online, z.B. pydance.

(Vermutlich offensichtliche) Folgerungen:

1) Vokabeldrillübungen werden auch durch viel Technikeinsatz nicht besser.
2) Unterrichtsmedien müssen schnell betriebsbereit sein, sonst ist ihr Einsatz nicht ohne Weiteres möglich.
3) Aufgaben mit Wettbewerbscharakter sind sinnvoller, wenn tatsächlich die ganze Gruppe eingebunden ist – lediglich in Samstagabend-Familienshows oder bei Fernsehformaten wie „1, 2 oder 3“ wirken unbeteiligte Teammitglieder interessiert, motiviert und diszipliniert.
(Bildquelle: Kokeshi, flickr.)