Burp Cloth – Wenn Englischlehrern die Worte fehlen

Das wird keinem Mathematiklehrer passieren:

„Herr Algebra, wie heißt denn die Zahl zwischen drei und fünf?“
„Keine Ahnung.“

Englischlehrer  stehen  – auch bei bester Unterrichtsvorbereitung – immer wieder vor der Situation, dass ein Schüler den jeweiligen Lehrkörper mit einem Wörterbuch verwechselt. Meine Lieblingssituationen dafür:

  • Thema Familie, 5. Klasse. Lena: „My father is a … What’s Spenglermeister in English?“
  • Thema Planzen und Parks, 6. Klasse. Max: „How do you say Ulme?“
  • Thema Verkehr, 7. Klasse. Ahmed: „And then he had a … Kolbenfresser?“
  • Thema Familie, 6. Klasse. Kevin: „He needs a Spucktuch.“
  • T-Shirt Mario, 9. Klasse. „De-Airing Pug Mill“.


Spucktuch heißt burp cloth, und auch alle anderen Wörter musste ich nachschlagen. Wobei ich gestehen muss, dass ich weder den genauen Tätigkeitsbereich eines Spenglers (irgendetwas mit Regenrinnen?) noch das genaue Aussehen einer Ulme (irgendwie grün?) kenne.

Als Lehrer wird man trotzdem gern unsicher. War nicht Fachkompetenz das A und O für den Unterrichtserfolg? Sollte ein Lehrer nicht Fachmann sein? Was ist nun mit der Professionalität? Was mit der Progression? Der offenen Unterrichtsgestaltung?
Trotzdem steckt gerade in solchen unsicheren Momenten sehr viel Wertvolles für den Unterricht:

  • Schüler erfahren, dass Lehrer auch nur Menschen sind. Sollte eigentlich auch so zwischendurch mal bekannt geworden sein.
  • Schüler lernen am Modell den Umgang mit Unwissen. Selbstverständlich nur, wenn der Lehrer sich dann auch verantwortungsbewusst verhält, also das Wort nachschlägt und dem Schüler spätestens zur nächsten Stunde sagen kann. Hier kann auch ein ipad mit entsprechenden Apps helfen. Ja, ein Artikel dazu ist in Planung.
  • Bei etwas erfahreneren Englischlernern kann auch das sicher im Klassenzimmer vorhandene Wörterbuch zum Einsatz kommen – vorausgesetzt, das Kind kann damit auch wirklich schon etwas anfangen. Ein Online-Wörterbuch, etwa http://dict.leo.org in Verbindung mit dem interaktiven Whiteboard geht auch, und ist natürlich moderner.
  • Schüler sehen den Lehrer als Wegbegleiter zum Wissen. Als Wissenscoach, als Tutor.
  • Individualisierung des Lernens. Schüler lernen tatsächlich das, was sie unmittelbar als nächstes brauchen.

Durchaus ansehnliche Effekte. Viele – auch affektive – Lernziele, die erreicht werden können. Klafki wäre stolz, zugegeben, operationalisiert sollte hier nichts werden. Statt Panik gibt es Erfolg. Statt Versagensängsten, Vertrösten oder Vertuschen kann gerade aus der Neugier der Schüler auf neue Wörter also etwas richtig Gutes herauskommen. Professionell.

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